Hier soll chronologisch von einer Motorradtour ohne besondere Vorkommnisse berichtet werden...

Tag -2 (Montag)

Bobby besteigt in Oslo die Fähre nach Kiel
 

Tag -1 (Dienstag, 1. Mai)

MaMa's Geburtstagsfete. Steffi erscheint erstmal ohne HudA. Kupplung bei der BMW ist abgeraucht. Die Gummikuh steht bei Harry in der Garage, HudA und Harry schrauben. Irgendwann erscheint HudA auch - mit ölig-schwarzen Pfoten.
So ist das halt bei Motorradfahrers: kein Tag ohne dreckige Pfoten.

Tag 0 (Mittwoch)

In einer konzertierten Aktion besorge ich mir bei Woick noch schnell ein paar Ortlieb - Packsäcke und bei Siebenrock eine Kupplung für die BMW. Der Spass kostet mal eben 450 Mark, egal, ich muss es nicht zahlen. (Nur zum Vergleich: eine Guzzi-Kupplung kostet 200 Mark weinger und hat eine Scheibe mehr).
In einer Nacht- und Nebelaktion wird die Kupplung implantiert und beim zweiten Versuch kann HudA auch mit der Kiste heimfahren, nachdem das Massekabel auch noch festgeschraubt wurde.

Tag 1 (Donnerwoch) Böblingen - Weilerbach, 170 km

Die Abfahrt war auf "so om de halber sechse" terminiert. Rund eine Stunde später trudelt Harry endlich ein, wir können los. Die Guzzi rennt tapfer mit 120 über die Bahn, wir gönnen uns ein paar Kurven im Pfälzer Wald und laufen zweieinhalb Stunden später bei Sorry und Regine ein. Die Mädels sind nicht da, deshalb gehen wir zum Bauer Schmidt, was zu futtern einwerfen

Tag 2 (Freiwoch) Weilerbach - Ottenstein, 460 km

Bei strahlendem Sonnenschein brechen wir fast(10:30 Uhr) zum geplanten(8:00 Uhr) Zeitpunkt auf. Wir wollen nicht auf der Autobahn Kilometer fressen sondern Touren und fahren deshalb Bundesstrassen.

Abfahrt in Weilerbach Pause in der Eifel
 

Die Eifel empfängt uns mit dem typischen Wetter: kalt und nebelig. HudA kauft sich eine lange Unterhose. Harry und ich haben unsere eh schon an. Kein Gedanke mehr daran, das Futter aus der Jacke rauszunehmen. Ich denke eher an den ThermoBoy im Seitenwagen.
Wir verlieren viel Zeit durch das Rumgegurke, bei dem Wetter macht's auch nicht wirklich Spass und so machen wir ab Neuss einige Kilometer auf der Bahn bis Wesel. Ein Kaff weiter zieht uns ein Bäcker magnetisch an und wir gönnen uns einen Kaffee und ein Veschper.
Diese norddeutschen Bundesstrasen haben was. Ewig breit, man kommt gut vorwärts, kann auch bei Gegenverkehr relaxed überholen. Sie haben aber auch was nicht. Kurven.
Um halb acht sind wir in Ottenstein.

Tag 3 + 4 (Wochenende) So.: Ottenstein - Rødby, 500 km

Sängerfest vom Zugvogel in Ottenstein: Business as usual, see http://www.zugvogel.org

Kohten beim Sängerfest Singewettstreit
 

Gegen Mittag kommen wir los, es ist sonnig, aber kalt. Bobby ist die Prozedur der motorradmässigen Bekleidung noch nicht so geläufig, es wir auch noch eine Weile dauern, bis er den Helm vor den Handschuhen anzieht (und das Barett vorher abnimmt). Interessanterweise braucht Bobby's Affengeraffel mehr Platz als mein Kram...
Wir fahren wieder Bundesstrassen bis Cloppenburg und ab da auf der Autobahn, langweiliges Kilometerfressen. Nur ein Stau hält uns nennenswert auf, die Guzzi schreit nach Öldruck, muss wohl demnäxt die Ölpumpe wechseln.
Puttgarden erreichen wir in der Dämmerung, wir sind durchgefroren aber Dänemark muss heute noch sein!
Für die halbe Stunde Fähre knöpfen sie uns 48 Mark ab, mir mit Gespann und Beifahrer interessanterweise genauso wie HudA mit der Solo. Ankunft in Rødbyhaven in der Dunkelheit, weiter nach Rødby. Pension oder so gibts hier nicht, haben alle zu, wir fahren zum Campingplatz. Bei der zweiten Platzrunde stellen wir fest, das eine "Hytter" offen ist und wir nisten uns ein.

mit Bedienungsanleitung zum Mopedfestbinden delikate Erbswurstsuppe
 

Zum Abschluss des Tages gönnen wir uns ein paar Dosen Bier und eine heisse Suppe, frisch aus der Erbswurst.

Tag 5 (Meedich) Rødby - Frillesås, 420 km

Ein ereignisreicher Tag, fing ganz harmlos an.
HudA geht früh los, Frühstück besorgen. Das ist der Vorteil, wenn man mit einem Frühaufsteher unterwegs ist: keine Diskussion, wer's Frühstück macht. Wir sitzen in der Sonne vor der Hütte, packen in aller Ruhe unser Geraffel und kommen wieder mal gegen Mittag los. Im Städtle sind Kinder unterwegs, muss wohl Schulschluss sein. Wie ich an einem Zebrastreifen anhalten will, tut's plötzlich hinten einen Schlag, das Gespann verschwindet unter mir und ich finde mich auf dem Boden wieder. HudA hat gepennt und ist mir in den Arsch gefahren. Zum Glück war niemand auf dem Zebrastreifen.
Resultat: bei der Guzzi Blinker und Rücklicht kaputt, Kofferträger heftig verbogen, Nummernschild samt Halter verbogen und Bobby blass um die Nase (das Gespann ist ohne mich auf einen Laternenmast zugehoppelt). Bei der BMW die Gabel krumm, zum Glück net so, dass man nicht weiterfahren könnte und das Schutz"blech" zerbröselt. Also haben wir das Ganze provisorisch geflickt und sind weitergefahren.

Frühstück vor der Hütte in der Pension
 

Die weitere Fahrt bis Helsingborg ist eher ereignislos, in einer Tanke bei Kopenhagen lernen wir, dass Glühbirne auf dänisch Låmpa heisst. Kurz vor dem Fährterminal legt sich HudA noch mal eben im Kreisverkehr ab. Vorderrad auf einer Dieselspur weggerutscht. Die Überfahrt nach Helsingør reicht grad für eine Tasse Kaffee.
Schweden. Autobahn. Nach ca. 100 km auf der E 6 müssen wir das erste (und einzige) Mal auf der Tour die Regenklamotten anziehen.
Anfang Mai ist keine gute Zeit für Schweden. Die Campingplätze sind tot, Hytter nicht zu bekommen nach 17:00 Uhr. Schliesslich finden wie eine Pension, das Doppelzimmer kostet 490 Kronen, incl. Frühstück. Zu dritt kostet's 550 Kronen (wegen dem 3. Frühstück). Bier, Vesper, Spaziergang, pennen.

Tag 6 (Dienstag) Frillesås - Oslo, 380 km

Und wieder scheint die Sonne. Kaum zu glauben. Duschen, aufrödeln, Frühstück. Die angenehme Ruhe im Frühstücksraum wird brutal durch eine Busladung Rentner unterbrochen, die dann auch noch das Klavier in der Ecke entdecken. Doch auch dieser Horror geht vorbei und als wir die Mopeds besteigen, ist der Bus schon wieder weg. Ein Vogel hat mir genau auf die 5 Quadratzentimeter Sitzbank geschissen, die nicht durch die Kniedecke bedeckt waren.
E 6. Wieder Kilometerfressen. Ich wünsche mir hier oben 5 Wochen Zeit. Nix is. Irgendwann wird die Rollbahn zweispurig, die Landschaft urtümlicher. Wir machen Pause, kochen Kaffee und geniessen die Sonne.

mit Sack und Pack und Blessuren Kaffeekochen an der E 6
 

Der Grenzübergang nach Norwegen ist unspektakulär, ein Schild an der Strasse informiert darüber. Auch Norwegen ist dem Schengener Abkommen beigetreten. Und wir hatten Bedenken wegen der Biervorräte im Seitenwagen und den Packsäcken. Wir verlassen die E 6 und streben auf der Landstrasse gen Oslo. Die Gegend ist eher enttäuschend, es sieht aus wie im Nordschwarzwald 6 Wochen früher.
Oslo empfängt uns mit Feierabendstau, hohen Öltemperaturen und verlorenem Öldruck. Dennoch erreichen wir Bobby's Studentenwohnheim ohne kapitalen Motorschaden.
Relaxen, umziehen, duschen. Noch kurz ins Städtle. Mir qualmen die Socken in den Treckingstiefeln, das Internet hatte 8° vorausgesagt, die Halbschuhe liegen daheim. Wir wollen den Sonnenuntergang oberhalb vom Holmenkollen anschauen, bis wir mit der Bahn oben sid ist die Sonne weg. Trotzdem interessant. Die T 2 geht auf ihrer Linie von Meereshöhe auf über 500 Meter hoch. Zurück am Majorstruen wollen wir in der Kneipe abendessen, es ist grad mal halb elf. Nichts zu machen, die Küche hat seit zwei (!) Stunden zu. Also McD.

Tag 7 (Mittwoch) Oslo

Immer noch Sonne. Nicht zu fassen. Wir wollen grillen. Erstaunlicherweise kosten uns der Grill + das -gut nur rund 20 DM. Doch zuerst zur Color Line, Fährkarten kaufen. Es wird ein Preis von 1800 NOK aufgerufen, steht auch auf der Rechnung, auf dem Kreditkartenbeleg stehen nur 1200 NOK. Mal schauen.
Wir sind reif für die Insel und fahren mit dem ÖPNV dahin. Es ist schon eine interessante Angelegenheit, mitten in der Grosstadt auf einer Insel relaxen zu können. Der Grill kommt in Gang und wir lassen uns Würschtle, gewickelt in Lompa (Brotfladen), schmecken.

Oslo mitten in der City mit Einweggrill
 

In Norwegen war gerade das Äquivalent zum Abi, das bedeutet, dass die Kids in rot angemalten, alten Linienbussen durch Oslo cruisen. Meistens sind die Kisten noch mit Lautsprecheranlagen bestückt, die einem Stones-Konzert zur Ehre gereichen würden. Der benötigte Strom kommt aus dem Aggregat auf dem Hänger.
Buchläden ziehen mich immer magisch an, dieser sowieso, weil er einen neuen Pratchett (Thief of Time) im Schaufenster hat. Rund 50 Mark ärmer verlasse ich den Laden. Eine Art Biergarten lädt zum Verweilen ein, ich bestelle ohne Blick auf die Karte ein Bier, HudA und Bobby Kaffee (mit Blick auf die Karte). Beim Verlassen der Tränke bin ich 56 NOK los, HudA und Bobby gar nix, weil ihr Kaffee net kam. Interessante Gastronomie hier. Immerhin gelingt es uns diesmal, in der Kneipe was zu essen zu bekommen (und das Bier kostet auch "nur" 33 NOK)

ganz schön gross, so'n Dampfer Reifen flicken
 

Zurück am Studiwohnheim wollen wir "mal eben" Bobby's Fahrradreifen flicken und den Sattel höher stellen. Daraus wird eine grössere Umbauaktion mit erforderlicher Kaltverformung der Bremshebel. Würde mich echt mal interessieren, was sich die örtlichen Studis über die bekloppten Deutschen gedacht haben. Bobby's Freundin hat sich jedenfalls einen gegrinst :-)

Kaltverformung von Bremshebeln Königliche Yacht
 

Gemütlicher Ausklang des Tages bei Wein und Bier und wiederholtem Ausschalten des Toilettenlichtes...

Tag 8 (Donnerstag) Oslo -> Kiel

Schon wieder Sonne. Erschreckend. Tag des Abschieds. Geraffel packen, Motorräder beladen. Wir finden problemlos zum Fährhafen bis auf das übliche Öldruck-Drama. Nur wenige Mopeds an der Fähre, darunter eine wunderschöne Guzzi V7 Sport, die auch richtig gefahren wird.
Die Motorräder werden zuerst verladen. Ganz vorn, ganz unten. M/S Princess Ragnhild ist fährtypisch unübersichtlich. Kabinentechnisch sind wir auf demselben Deck wie unsere Mopeds, nur achtern. Nicht, dass man einfach durchlaufen könnte, weit gefehlt. Erst hoch auf Deck drei, nach achtern laufen und wieder runter. Erstaunlicherweise haben sie in unserer Kabine ein Waschbecken unterbringen können.

Segelschulschiff Christian Radich - 3-Mast Vollschiff out of Oslo
 

Wir bleiben bis zum Sonnenuntergang auf Deck, geniessen die Wärme, lesen, faulenzen und verlegen unseren Standort nach Sonnenuntergang in die Bar, wo's wenigstens nach 22:00 Uhr Würschtle mit Kartoffelsalat (Bäh) gibt. Alle anderen Nahrungsquellen haben zu Norwegen-Typisch seltsamen Zeiten offen. HudA verliert seinen Motorradschlüssel

von dieser Insel aus wurde die Bismarck versenkt Sonnenuntergang im Kattegat
 

Tag 9 (Freitag) Kiel - Wöbbelin, 250 km

Der Morgen beginnt mit Hektik. HudA sucht seinen Motorradschlüssel. Ich gehe in den Waschraum und zur Toilette, bei meiner Rückkehr ist HudA wech. Nachdem ich meinen Kram fertiggepackt habe, ist er immer noch wech. Egal, ich gehe jetzt an Deck. Vom Sonnendeck aus verfolge ich das Anlegemanöver, als die ersten LKW das Schiff verlassen, hole ich meinen Krempel un gehe zum Motorrad. HudA hat seinen Schlüssel immer noch nicht wiedergefunden. Lässig ziehe ich seinen Ersatzschlüssel aus der Tasche und - er passt nicht! Sollte man vielleicht vor der Abreise testen. Ein Stück der Erdnussdose vom Vorabend stellt den Kontakt zwischen den Klemmen 30 und 15 her und mit Strom vom Gespann springt die BMW auch an. Beim Durchfahren des LKW-Decks hoppelt HudA über einen Zurrgnulz für die LKW-Ketten und verliert seinen Scheinwerfer. Warum hat wohl BMW den Scheinwerfer im 2. Jahr der /6-Baureihe mit einer Sicherungsschraube versehen...
In Kiel helfen uns die netten Mädels von der Hertz-Filiale bei der Suche nach einem Motorraddealer, den wir auch sofort heimsuchen. HudA verschwindet in der Hütte, ich ziehe mich derweil motorradmässig an und bei seiner Rückehr hat er die Hand voller Steckverbinder. Aus Kabel und Steckern entsteht eine provisorische Zünd- und Lichtstromkreisunterbrechung. Eine Laverda opfert ihr Scheinwerferglas, es ist der übliche Feld- Wald- und Wiesenscheinwerfer mit 180mm Durchmesser von Bosch.

unser Zelle...sorry, Kabine U-Boot Ehrenmal in Laboe
 

Wir haben beide keine grosse Lust auf Abschiedsdramen und trennen uns eher unspektakulär. HudA muss nach Leverkusen, Eva beim heiraten helfen. Eigentlich wären wir lieber noch zusammen durh Schweden gefahren...
Die Kultur ruft, ich fahre nach Laboe und besichtige das U-Boot Ehrenmal. Auf den übermannshohen Bronzetafeln sind die Namen der über 30000 deutschen U-Bootfahrer der beiden Weltkriege verzeichnet. Bedrückend.
Auf dem Strand liegt U 995, das als technisches Museum zu besichtigen ist. Es ist schon erstaunlich, wie genau die Filmleute das Kulissen-Boot im münchner Bavaria-Filmstudio nachgebaut haben. Und wie auf diesem engen Raum, der nunmal im VII-C Boot herrscht, über 40 Leute leben konnten.

 
U-Boot Zentrale U 995
 

Beim Fotografieren von U 995 sehe ich M/S Princess Ragnhild Richtung Oslo auslaufen. Ich wär gern an Bord...
Über Landstrassen fahre ich durch Norddeutschland, südwärts gen Berlin. Irgendwie kommt's mir immer komisch vor, die Wörter "Berlin" und "Süden" miteinander zu verbinden.

Marine-Ehrenmal in Laboe M/S Princess Ragnhild auf dem Weg nach Oslo
 

Tag 10 (Samstag) Wöbbelin - Belzig, knapp 200 km

Eine Übernachtung in einer Pension hinter Schwerin, noch knapp 200 km, das Wochenende bei Freunden in Belzig.

Tag 12 (Montag) Belzig - Gütersloh, 400 km

In Braunschweig will ich bei Stein-Dinse ("...die umfangreichste Produktpalette weltweit..") meine Guzzi mit Neuteilen versehen, also den Kram, den mir HudA zusammengefahren hat, ersetzen und noch ein paar Teile für alte Baustellen erstehen. Der Knabe hinter dem Tresen ist zwar ganz nett aber so fexibel wie ein Stahlträger und Ahnung hat er auch keine. Wenn ich z. B. sowas Banales wie einen Drehzahlmesserantrieb ordere, erwarte ich, dass der Typ kommentarlos im Lager verschwindet und mir einen holt und nicht, dass er nach Teilenummern fragt. Deswegen geh ich zu Spezialhändlern....mpf. Ich verlasse den Laden mit einem Blinker, zwei Stossdämpfereinsätzen und einem Teilekatalog. Na Prima.

Tag elf (Dienstag) Gütersloh - heim, 550 km

Ohne besondere Vorkommnisse. Bis kurz vor Giessen Bundesstrasse, der Rest auf der Bahn. Bei Hockenheim muss ich tatsächlich noch die Regenklamotten rausholen. Viertel nach fünf bin ich daheim.