Wir haben gerade zehn Tage auf dem Bundeslager bei Cottbus hinter uns, zusammen mit 4500 Pfadfindern, die Fahrt nach Berlin, Dorotheas ärgerlichen kleinen Unfall (sie ist auf einen Transporter draufgebollert), einen Tag Teile besorgen und Standrohre austauschen, zwei Nächte bei lieben Freunden, die Fährüberfahrt bei traumhaftem Wetter.
Doch zum aktuellen Zeitpunkt heißt es, eine Werkstatt zu finden, da sich im Seitenwagen zwar allerlei, aber kein Schweißgerät befindet. Wir müssen nämlich den Kickstarter an der Solo reparieren, der im Hamburger Hafen den Geist aufgegeben hat.
Der hilfsbereite Immigrations Officer bei der Ausweiskontrolle erklärt mir den Weg zu einer Werkstatt. Nach dem ich mich aufgrund seiner Angaben heillos in einem Wohngebiet verfranzt habe, kommt er im Auto angeflogen, entschuldigt sich tausendmal und führt mich zur Werkstatt. Dafür, daß sie geschlossen ist, kann er schließlich nichts.
Die Jungs in der Mazda-Klitsche gegenüber trauen sich die Reparatur an Sachsen - High - Tech nicht zu und verweisen mich an die nächste Werkstatt "‘round the corner". Dieser Schrauber will uns helfen, fährt er doch selber Motorrad, wie er am Foto einer total zerlegten Kawazuki XYZ - RR - wasweißich beweist. An diesem Abend will die Reparatur nicht mehr gelingen, die Zeit vergeht und die Jungs in der Werkstatt wollen Feierabend machen.
Die Rettung naht in Gestalt von Eddie, einem Mittsechziger, der uns kurzerhand in sein Auto verfrachtet und mit nach Hause nimmt. Dort werden wir von seiner Frau herzlich mit Tee und Kaffee empfangen. Eddie entpuppt sich als heilloser Motorradfreak, der drei wunderschön restaurierte Ariel Square Four besitzt, mit denen er schon zahllose Preise gewonnen hat. Nach dem Pubbesuch legt er spätabends noch Platten auf: TT ’66, TT ‘68...spätabends dröhnen Ago & co durchs Wohngebiet
Der Sonnenschein verläßt uns bald und die schottische Grenze überqueren wir im Regen.
In Coldstream wollen wir tanken und Mittagspause machen. Als Dorothea ihre Maschine aufbocken will, fällt der Hauptständer ab. Wir behelfen uns damit, die Solo ans Gespann zu lehnen und bauen abends auf dem Campingplatz in Edinburgh den Ständer vom Gespann ab (das steht auch so) und an die Solo an.
Wir legen einen Kulturtag in Edinburgh ein, besichtigen das Castle und löhnen überall überhöhte Preise, weil wir das Pech haben, daß gerade das Edinburgh Festival läuft. Der Capingplatz will 12 Pfund für die Nacht, noch nie so teuer gezeltet.
Deshalb geht es schon am nächsten Tag weiter nach Norden. Von der Eisenbahnbrücke über den Firh of Forth, die einmal ein technische Sensation war sehen wir nichts, weil wir in dichtester Nebelsuppe durch die Gegend gurken.
Das wird erst in der Gegend von Perth besser und nördlich davon bekommen wir das "Schottland-Feeling": einsame, schmale Sträßen durch rauhe Landschaft, ab und zuein paar Schafe auf der Fahrbahn, sonst ist nicht viel los. Wir bezwingen Steigungen von 20 %, die Emme muß ganz schön ackern. Wir bestaunen die Radfahrer, die das nur mit ihrer Muskelkraft machen.
In Grantown-on-Spey finden wir einen wunderschönen ruhigen Campingplatz, der die Hälfte von dem in Edinburgh kostet und deutlich bessere Facilities hat.
Strahlender Sonnenschein weckt uns und wir sitzen beim Frühstück mit Motorradfahrern aus Deutschland und Schweden zusammen. Später machen wir einen Tagesausflug über winzigste Sträßchen zum Loch Ness, besichtigen Urquhart Castle und lauschen dort den schrillen Tönen aus den 20 bagpipes der Paris Pipe Band, die gerade auf Schottlandtour ist. Abends besuchen wir eine "Scottish night" mit Folk music und traditional dance, die mit "auld aquaintance" zu Ende geht.
Viel zu schnell ist die Woche in Schottland zu Ende, doch wir freuen uns auf Irland, nicht ohne den Vorsatz zu fassen, wiederzukommen.
Auf der P&O-Fähre von Cairnryan nach Larne wird Dorotheas Solomaschine sorgfältig mit gepolsterten Gurten an einem Pfeiler festgezurrt, das erste Mal, daß ich sowas erlebe. Mein Ladehelfer dagegen steht etwas ratlos vor dem Gespann.
Er ist sichtlich erleichtert, als ich ihm die Spanngurte aus der Hand nehme und die MZ selber festbinde.
Im Lisburn Linen Centre tut es den ladies, die alle Schritte der Leinenherstellung vorführen, furchtbar leid, daß wir in der einen Stunde bis zur Schließzeit unmöglich alles sehen können. Wir dürfen am nächsten Tag wiederkommen und uns in Ruhe den Rest vom Museum anschauen, ohne nochmal zahlen zu müssen.
Die Campingplätze sind - im Gegensatz zu Schottland - eher enttäuschend, meistens voll mit Dauercampern in ihren static-caravan-Blechbüchsen mit ein paar Plätzen für Zelte im hintersten Winkel.
Auf dem Platz in Milltown haben wir wenigstens Sicht auf die Isle of Man und nach Schottland. Hier treffen wir auch ein Pärchen aus Pforzheim; nachdem Birgit praktischerweise nichts trinkt, lassen wir uns im Auto zum Pub mitnehmen und müssen keine Angst um die Führerscheine haben. Im Pub -Typ Spelunke- kaut der Dorftrottel den Mädels das Ohr ab, Thomas und ich können in Ruhe unser Bier trinken und lästern.
Das Ulster Folk and Transport Museum zwischen Belfast und Bangor ist eine Riesensammlung von allem was fährt, schwimmt oder fliegt und ein weitläufiges Freilichtmuseum mit Kleinstadt und einigen Bauernhöfen. Wir hätten doch das Zwei-Tagesticket nehmen sollen, das nur unwesentlich teurer ist. Sechs Stunden reichen einfach nicht, um alles zu sehen.
Belfast passieren wir nur und suchen an der Küste einen Campingplatz. Der eine, der mit relativ vielen Zeltplätzen ausgezeichnet ist, ist rammelvoll, der nächste nimmt wieder mal keine Camper, der dritte in Carnlough nimmt auch keine Camper, dafür dürfen wir hier auf der Privatwiese des Platzwartes umsonst zelten.
Wir wollen zum Torr Head, das dem Mull of Kintyre in Schottland direkt gegenüberliegt und die beautiful scenery genießen. Daraus wird leider nichts, der Nebel versperrt die Sicht auf die scenery, aber der Weg dorthin ist traumhaft: Kurven, Kurven, Kurven, eine Wahnsinns-Berg-und-Talbahn, ein Versteckspiel mit dem Meer. Und überall Fuchsienhecken.
Einen Besuch ist auch die Old Bushmills Distillery wert, die älteste lizensierte Whiskeybrennerei der Welt. Eine Führerin erklärt wissenswertes über die Whiskeyherstellung, der Duft liegt in der warmen Luft und man ist nach dem Rundgang halb bedröhnt. Nach der Führung gibt’s noch ein Gläschen zum probieren und wer schnell genug schaltet, kann an einem Whiskey-Tasting mitmachen, bei dem man acht verschiedene Whisk(e)ysorten versuchen kann. Allerdings sollte man das Motorrad dann stehen lassen...
Die Tage in Ballintoy vergehen viel zu schnell, aber wir wollen weiter, es gibt noch so viel zu sehen und zu erleben. Kurz bevor wir Nordirland verlassen, tätigen wir noch einen bemerkenswerten Kauf. Während das durchschnittliche irische Brot weiß, schlabbrig und ohne nennesweren Geschmack ist und sich problemlos auf ein Drittel seines ursprünglichen Volumens kompromieren läßt (praktisch für Solofahrer), finden wir einmal Brot, daß nicht nur aussieht wir Brot, sondern auch so riecht und schmeckt und eine knusprige Kruste hat. Wir kaufen gleich zwei, mehr gibt es nicht.
Da unsere Sterlings zur Neige gehen, passieren wir Derry nur und der Grenzübertritt in die Republik geht völlig unspektakulär vor sich, nur anhand der Straßenverhältnisse und dem Fehlen der Union Jacks merkt man, daß man die britische Provinz verlassen hat. Der Strassenzustand und die Beschilderung sind in der Republik deutlich schlechter.Das Konzert in Letterkenny ist eine eindrucksvolle antibritische Demonstration, die Songs sind zum größten Teil sehr politisch, man merkt, daß es nach Nordirland nur ein paar Kilometer sind und die IRA hier im Donegal viele Anhänger hat. Aber die Stimmung im Saal ist phantastisch, es ist eine große Party, das Guinness fließt in Strömen.
Nur mit Mühe kann ich eine politische Diskussion vermeiden, ich will in dieser aufgeheizten Stimmung keine Stellung beziehen müssen, die meine Gegenüber vermutlich nicht verstehen können.
Nachts um drei sind wir wieder auf der Finn Farm und kriechen in die Schlafsäcke.
Hier auf der Farm führe ich lange Gespräche mit Eddie, dem Besitzer, der früher selber IRA-Aktivist war und dafür jahrelang im Gefängnis saß. Nach vier Tagen mit warmer Sonne, gelegentlichem Pferd-wieder-einfangen und Ausflügen auf Schotterpisten verlassen wir die Farm und fahren Richtung Süden, Donegal Town zu. Wir wollen die Küste entlang nach Westport und weiter nach Connemara.
Die Fahrt über die Küstenstraße erledigt sich aber leider nach wenigen Kilometern; es wird ekelhaft kalt mit einem starken Westwind, das Gespann auf der Straße zu halten ist mühsame Arbeit. Deshalb bleiben wir auf den Hauptstraßen und fahren über Sligo direkt nach Westport. Teilweise muß ich im dritten Gang fahren, so stürmt es.
Bei strahlendem Sonnenschein gehts anderntags weiter, wir wollen die wilde Schönheit Connemaras erleben. Das Erleben fällt nach der Kaffeepause am Mittag im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser. Es gießt wieder mal in Strömen und die einzige Unterbrechung, die wir auf dem küzesten Weg nach Galway erleben, besteht darin, daß beim Gespann schon wieder Sprit nachgekippt werden muß. In solchen Momenten, wenn ich im Regen stehe und Benzin nachleere, wünsche ich mir meine alte Gummikuh mit dem 43-Liter-Tank zurück...
Galway ist eine quirlige und ständig vollgestopfte Universitätsstadt, in der immer irgendwas los ist. Dieses Mal wollen wir nur kurz ein paar Einkäufe tätigen und uns dann wieder in die Pampa verziehen, obwohl der Samstagabend in Galway erlebenswert ist.
Kaum haben wir die Mopeds auf einem gebührenpflichtigen Parkplatz stehenlassen, kommt die Sonne raus und es wird bollenwarm...Im Schweiße unserer Mopedklamotten machen wir unsere Besorgungen.
Dorotheas Fahrlicht ist im Eimer, es ist ein größerer Akt, dem Honda-Dealer in Tralee klarzumachen, was für eine Glühbirne wir brauchen. Er stellt sich an, als habe er noch nie eine 6V-Biluxbirne gesehen. Bei Gelegenheit müssen wir die Kiste doch mal auf 12V umrüsten (siehe M.-G. 24).
Entlang der Halbinsel Dingle sehen wir immer wieder tolle Sandstrände, das Wetter lädt leider zum Baden immer noch nicht ein. Die Sandkastenspiele mit Gespann enden mit einem eingegrabenen Hinterrad und mühsamen ausbuddeln desselben. Irgendwie fehlen dem Gerät ein paar PS, um so richtig in Schwung zu kommen.
Das Kurvengeschlängel hoch zum Connor-Pass wird uns von ein paar deutschen Mietdosen-Touristen auch gründlich versaut, der Kerl vor mir hält bei jedem entgegenkommenden Fahrzeug an; ich w&%uuml;rde die Piste mit dem 40-Tonnen-Zug ohne zu bremsen nehmen. Zum Ausgleich läßt er mich aber auch nicht vorbei.
Dafür entschädigt uns der Ausblick von der Paßhöhe. Übers Meer zur nächsten Halbinsel geht der Blick in beiden Richtungen.
Im Norden sehen wir weit über das County Kerry, im Süden die Halbinsel Iveragh, die vom bekannten Ring of Kerry umrundet wird. Den werden wir uns nicht antun, zum einen waren wir da schon, zum anderen hat’s da zu viele Touris. Deswegen passieren wir Killarney, die Hochburg der US-Touristen, so schnell wie möglich. Wir wollen weiter in den Süden, nach West Cork. Und es geht diesmal erstaunlich schnell durch Killarney, muß wohl am Wetter liegen.
Dieses wird und wird nicht besser, es ist für Irland total untypisch, daß das Wetter über Wochen hin konstant ist, egal ob gut oder schlecht. In der Zeitung lesen wir von Überflutungen und halb weggespülten Dörfern. Also wird’s auch dieses Jahr nix mit der Überquerung des Windy Gap auf der Old Kenmare Road. Bei dem Pegelstand der Flüsse habe ich mit der Emme keine Chance, die Wasserdurchfahrten zu meistern. Vermutlich aber auch mit keinem anderen Fahrzeug das kleiner ist als ein Unimog. Und extra deswegen hatte ich doch die Stollenreifen montiert. Vor ein paar Jahren war ich kurz vor der Paßhöhe gescheitert, weil das Profil mit Schlamm zugesetzt war.
Aber auch die National Road - Größenordnung Landstraße auf der Schwäbischen Alb - macht Spaß. Kurven, Kurven, Kurven und ab und zu ein Tunnel, der einfach so aus dem Fels gehauen ist. Dem erhöhten Verkehrsaufkommen der letzten Jahre trägt man durch Zäune auf beiden Straßenseiten Rechnung - zum Schutz der Schafe.
Doch auch diese Zeit ist viel zu schnell vorbei, langsam müssen wir an die Heimreise denken.
In Cork City wohnen wir im Hostel einer netten älteren Dame, die ihre Gäste irgendwie "an Kindes statt" annimmt. Wir sehen uns die Stadt an (nix Besonderes) und kaufen diverse Musiknoten und Tonträger. Mit dem Studentenausweis gibt’s 10 % Rabatt.
In Banagher müssen wir uns trennen, Dorothea kann noch eine Woche länger bleiben und sich auf der Heimfahrt auch mehr Zeit lassen. Doch auf dem Weg dorthin fahren wir noch über Cashel, dieser alten Stadt, die früher Sitz der Könige von Munster und später Bischofssitz war. Nur noch Ruinen zeugen von der einstigen Größe; Dorothea dreht ihre ersten Gespann-Runden und schafft es, die Emme den Ruinen nicht hinzuzufügen.
Die Midlands bieten längst nicht die beeindruckende Landschaft der Westküste, sanfte Hügel mit Wiesen und Feldern bestimmen das Bild. Wir besichtigen den Rock of Cashel, den Sitz der Hochkönige und sehen uns den Folk Park an. Na ja.
Abends komme ich genau rechtzeitig nach Dun Laoghaire, um die Fähre von hinten zu sehen. Nachdem auch kein Hostelbett zu kriegen ist, entschließe ich mich, mit der nächsten Fähre nach Holyhead überzusetzen und mir ein B&B zu suchen. Das wird die teuerste Übernachtung des ganzen Urlaubs.
Die Hauptstraße durch Wales bietet viel Landschaft und Kurven ohne Ende. Ich würde gern noch ein wenig hierbleiben, aber meine Fähre geht schon am nächsten Morgen ab Harwich. Das heißt 550 KM nonstop quer durch England, also nichts, was wirklich Spaß macht. Vor allem dann nicht, wenn man MZ fährt. Dementsprechend gerädert fühle ich mich, als ich abends nach längerer Suche endlich im Bett liege.
Kleine Anekdote am Rande: In den Midlands wissen die Leute an der Tanke nichts mit meinen nordirischen Pfunden anzufangen, der Tank-Chef rettet mich dann und wechselt meine restlichen Pfunde in solche der Bank of England.